Obergrenze zu Ende gedacht
Die Diskussion über eine Obergrenze für Flüchtlinge nimmt nicht ab. Dieser Begriff ist allerdings viel zu ungenau. Er ist um genau zu sein maskiert und verschleiert die wahren Konsequenzen, wenn wir es damit ernst meinen würden. Es bedeutet in der Konsequenz: Mauer und Schießbefehl.
Obergrenze! Die meisten verbinden damit den Wunsch nach einer Reduzierung der Flüchtlingswelle nach Europa. Menschen in prekären Lebenssituationen nehmen subjektiv die neuen Bürger/Innen als Konkurrenten um Wohnraum und Arbeitsplätze war. Andere sorgen sich um die Turnhallen ihrer Sportvereine. Die Kommunen sehen sich an ihrer Belastungsgrenze. . „Es sind einfach zu viele“ höre ich oft. „Wir können nicht mehr“ sagen sogar ehrenamtliche Helfer/Innen. Diese Ängste führen offensichtlich zu Forderungen nach einem handlungsfähigen Staat. Eine Obergrenze scheint für viele Menschen nun die Lösung zu sein. Die Österreichische Regierung hat die Diskussion forciert und kündigte eine vage Obergrenze an.
Ist eine Obergrenze überhaupt möglich und kommen dann wirklich weniger Flüchtlinge?
Rechtlich gesehen ist es nicht möglich, Punkt. Das Asylrecht ist ein grundrechtlich garantiertes Individualrecht. Flüchtlinge dürfen nicht in Gebiete abgeschoben werden, wo Tod und/oder Folter zu erwarten ist. Im Übrigen grundsätzlich (in Ausnahmen schon) auch dann nicht, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen haben. Das regeln internationale Verträge, wie die Genfer Flüchtlingskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention.
Heißt: Will man Obergrenzen rechtsverbindlich einführen, müsste in Deutschland das Grundgesetz zwei mal mit 2/3 Mehrheit geändert werden. Artikel 16a GG (hier ist das Recht auf Asyl geregelt) und Artikel 25 GG (hier ist geregelt, dass die Regeln des Völkerrechtes Bestandteil des Grundgesetzes ist). In anderen Ländern der EU wird sich das rechtlich genauso unmöglich gestalten. *1 Deswegen spricht der österreichische Kanzler auch vorsorglich von einem „Richtwert„
Viele meinen: „Ja, wissen wir, aber allein die Diskussion darum führt zu einer Verringerung der Flüchtlingszahlen,“. Hinter dieser wagen Annahme steckt wohl die Hoffnung die Menschen in den Kriegsgebieten würden verstehen-„Europa-und insbesondere Nord Europa ist jetzt voll. Wir können zu Hause bleiben“. Das ist aber doch eher unwahrscheinlich. Menschen, die ihrer unerträglichen Armutssituation entkommen wollen , wird das wenig interessieren. Turnhallen und Containerdörfer sehen die meisten als erstrebenswerten Fortschritt. Kein Wunder. Wer will schon gerne in Trümmern leben. Sie werden also alles versuchen, dem Elend (teilweise vom Westen mit verursacht) zu entrinnen.
EU-Grenze sichern mit Mauer und Schießbefehl
Wenn dem so ist, bleibt nur eine Möglichkeit: Absolute Grenzsicherung der EU. Die bisherigen Grenzsicherungen dienen ja nur, um den Flüchtlingszufluss ein wenig kalkulierbarer und geordneter zu gestalten. Wer es also ernst meint mit der Obergrenze, kann in der Konsequenz nur eines fordern: Keiner darf mehr rein. Ohne Wenn und Aber. Also gewaltsame Flüchtlingsabwehr! Oder wie Riedel und Gasser von der Zeit sagten:
Den Flüchtlingszuzug zu begrenzen meint nichts anderes als eine Militarisierung der Grenzen. Doch wer in Pufferlagern ausharrt, wird sich davon kaum abhalten lassen…. (Quelle)
Vor diesem Hintergrund war die Aussage von NRW AfD Chef Pretzell Ende letzten Jahres sehr offenbarend, als er meinte: „Schusswaffen als „Ultima Ratio“ um Flüchtlinge daran zu hindern, ins Land zu kommen“. Seine neue Lebensgefährtin, die AfD Bundesvorsitzende Petry, soll ihn angeblich zurückgepfiffen haben. Aber wohl nur um die Maske der bürgerlichen Biedermänner aufrechtzuerhalten. *2 Und somit schmeißen AfD, CSU und andere Verfechter von scheinbar knallharter LAW AND ORDER Ansagen weiter mit Nebelkerzen. Opium fürs Volk. Das Erwachen kommt dann später. EU-Grenze sichern mit Mauer und Schießbefehl. Und damit den Wähler/Innen keine Bilder von erschossenen Frauen und Kinder geliefert werden, die die Parteien zum Umdenken bewegen könnten, müssten an den Grenzen die Medien konsequent fern gehalten werden.
Die Belastungsprobe wird für Österreich schon bald kommen. Die Regierung sieht die angepeilte Obergrenze bereits im Sommer kommen und will dann keinen mehr reinlassen. Österreich wird dann seine Grenze absolut sichern müssen, oder darauf vertrauen, dass Slowenien und Kroatien oder die EU insgesamt dieses tun.
Nikos Kotzias, griechischer Außenminister, sagte in einem interview überspitzt:
(…)Wenn wir die Flüchtlinge stoppen wollten, müssten wir Krieg gegen sie führen. Wir müssten sie bombardieren, ihre Boote versenken und die Menschen ertrinken lassen. Das widerspricht sowohl der Menschlichkeit wie auch dem EU-Recht und den internationalen Konventionen. Das ist ausgeschlossen.(…) Quelle taz Interview mit Ulrike Herrmann
Jens Berger von den NachDenkSeiten bringt es auf dem Punkt:
Fazit.Wollen wir unsere zivilisatorischen Grundwerte aufgeben?
Die Diskussion um Obergrenzen mag subjektiv aus Sicht einiger Menschen nachvollziehbar sein. Die Belastungen der Helfer/Innen und die Ängste der Menschen sind da. Da bringt es dann auch nichts den Menschen zu erzählen, dass das alles keine Probleme mit sich bringt. Außerdem drückt sich in Deutschland die Bundesregierung um die Frage: Wer soll es denn schaffen? Flüchtlings- und Integrationspolitik lässt sich auf Dauer nicht mit Ehrenamtlichen wuppen. Da müssen dauerhaft Profis (Hauptamtliche Helfer/Innen, Lehrer/Innen-Sozialarbeiter/Innen etc…) eingesetzt werden. Das kostet Geld. Viel Geld. Auch wenn es konjunkturpolitisch die Wirtschaft ankurbelt, fragen die Menschen trotzdem: Wer soll es bezahlen? Die Unterschicht mit Kürzungen von Sozialleistungen? Die Mittelschicht in Form von Einkommens- und/oder Verbrauchssteuern? Oder die Oberschicht mit einer Vermögensabgabe? Diese Kernfrage bleibt unbeantwortet und bietet deshalb viel Platz für Verunsicherungen und Ängste. Die nationalkonservative AfD freut sich schon lange über diese Steilvorlage.
Aber bei bei aller Empathie für den Wunsch nach schnellen Lösungen. Wollen wir uns in der Konsequenz wirklich über internationalen Verpflichtungen stellen und unsere zivilisatorischen Grundwerte, die wir vorgeben zu verteidigen, schreddern? Mauer und Schießbefehl! Sind wir nicht froh, so was nicht mehr vor unserer Haustür zu haben?
Obergrenze hin, Obergrenze her! Bitte bei allen Emotionen. Lasst uns vermeidlich ungenaue Lösungen zu Ende denken. Es gibt denkbar bessere Lösungen. Eine wäre, die Situation für Menschen in den Flüchtlingseinrichtungen an den Staatsgrenzen der Krisengebiete erheblich zu verbessern. *3Auch diese Sofortmaßnahmen wird selbstverständlich Geld kosten. Viel Geld! Keiner flüchtet um europäische BürgerInnen zu ärgern. Die Menschen wollen natürlich lieber daheim bleiben. Deshalb muss Europa dafür konsequent eintreten, Fluchtursachen zu bekämpfen. Und die heißen Armut und Krieg!
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