Grüne Partei verabschiedet sich von der direkten Demokratie
Sehr geehrter Herr Ludischbo, bestürzt, entsetzt, traurig … das waren die ersten Reaktionen aus unseren Reihen, nachdem am Sonntagvormittag die Grünen auf ihrem Parteitag die direkte Demokratie aus ihrem Grundsatzprogramm gestrichen haben. Die Grünen machen ihren Machtanspruch geltend, sie wollen regieren. Vermutlich werden sie das. Aber sie werden nun nicht mehr die Forderung nach dem bundesweiten Volksentscheid bei Koalitionsverhandlungen auf den Tisch legen.
Damit verraten sie eine Kernforderung der Zivilgesellschaft. Die darf zwar noch ihre Stimme erheben, aber die direkte Demokratie, um sich auch durchzusetzen – unabhängig davon, wer regiert – wird ihr von den Grünen nicht mehr zugestanden. Die Klimaschutzbewegung, die Gewerkschaften, Sozialverbände, die Demokratiebewegung … lassen sie alle im Regen stehen. Wir wollen an die Macht, wählt uns, wir werden es schon richten. Das krähen nun auch die grünen Hähne auf dem Misthaufen der drängenden Probleme. Es offenbart sich ein elitäres Politikverständnis, das Demokratie hauptsächlich von oben denkt.
Die Bürgerräte sollen es nun richten. Sie würden einlösen, was die direkte Demokratie nicht vermag, meinte Robert Habeck in seiner Rede. Was für ein Fehlschluss, was für eine Unkenntnis des demokratischen Systems: Auch die Bürgerräte sind nur Ratschläge. Sie brauchen die direkte Demokratie, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht nur gehört, sondern wirklich ernst genommen werden. Nur die direkte Demokratie sichert, dass die Menschen verbindlich entscheiden können.
Damit haben sich die Grünen nach 40 Jahren von einem ihrer Gründungsimpulse verabschiedet und eine ihrer Verbindungen zur Bürgerrechtsbewegung der DDR gekappt. Dieses „Bündnis 90“ verblasst. Es gab einen hervorragenden Antrag von Lukas Beckmann, Mitgründer der Grünen und von Mehr Demokratie, mit dem die direkte Demokratie ins Grundsatzprogramm zurückgeholt werden sollte. Und es gab die besseren Reden und Argumente für die direkte Demokratie. Herzlichen Dank! Wir haben gemeinsam mit vielen Grünen in den vergangenen Wochen gekämpft, geredet, den Offenen Brief von 14 Organisationen auf den Weg und zu allen Kreisverbänden der Grünen gebracht. Das waren gute Debatten, die uns zusammengeschweißt haben.
Das ist eine gute Voraussetzung, nicht aufzugeben: Schon gibt es Stimmen in der Partei, die die direkte Demokratie dennoch als Thema bei den Grünen halten wollen. Das werden wir unterstützen! Schon morgen schauen wir wieder nach vorn.